4 Objektive
Nun haben wir bereits lange und ausführlich über Kameras und die Technik dahinter gesprochen. Jedoch würde keine der Kameras ohne ein Objektiv vor dem Sensor funktionieren. Ebenso entscheidet das verwendete Objektiv maßgeblich über die Qualität und die Charakteristika des Bildes. Es ist also ein sehr wichtiges Thema, dass von vielen unerfahrenen Foto- oder Videografen unterschätzt wird.
Aber was genau ist ein Objektiv? Im Grunde ist ein Objektiv ein optisches System aus verschiedenen Glaselementen, die speziell angeordnet und gruppiert sind und ein optisches Abbild erzeugt. Bereits im 17. Jahrhundert gab es mit den ersten Fernrohren schon Objektive, die damals noch aus einer einzelnen Linse bestanden. Genau genommen ist jede Brille ein solches einlinsiges Objektiv.

Abbildung 4‑1: Mir 1-V von 1986 Quelle: Eigene Darstellung
Über die Jahrhunderte hinweg hat sich die Objektivtechnik jedoch extrem weiterentwickelt. Heutzutage sind moderne Objektive kleine Computer, die mit der Kamera kommunizieren können, die mit Technik vollgestopft sind und gleichzeitig mit extrem komplexen Glaselementen und mit einer enorm präzisen Mechanik gefertigt sind.
Es gibt viele verschiedene Objektive und noch mehr mögliche Varianten und verschiedene Ausführungen. Von den alten Objektiven aus den 1950er-Jahren bis hin zu den modernen Objektiven. Es ist unmöglich, auf jede Einzelheit und Besonderheit von den unterschiedlichen Objektiven einzugehen. Jedoch gibt es einige Grundlagen, die für nahezu alle Objektive gleich sind und über die man Bescheid wissen sollte.
Was bedeuten eigentlich die ganzen Zahlen und Buchstaben auf einem Objektiv? Meistens sind das immer die Informationen bezüglich des Herstellers, für welchen Anschluss (Mount) das Objektiv ist, die Brennweite, den Blendenwert und sonstigen Informationen wie Bildstabilisator, Fokusmotor oder Modellnummer.
Ein paar Beispiele:
Sony FE 24 mm f/1.4 GM
Sony = Der Hersteller; FE = Für den (Fullframe) E-Mount; 24 mm = Brennweite; f/1.4 = Die maximale Offenblende; GM = G-Master Objektiv, also die premium Linie von Sony
Sigma 85/1,4 DG DN Art Sony-E; Sigma = Der Hersteller; 85 = Brennweite; /1.4 = die maximale Offenblende; Art = Die premium Linie von Sigma; Sony-E = Für den E-Mount
Das Ganze gibt es jedoch auch mit variablen Brennweiten und Blendenwerten.
Sony FE 200-600 mm f/5.6-6.3 G OSS
Sony = Der Hersteller; FE = Für den (Fullframe) E-Mount; 200-600 mm = Unterste und maximale Brennweite (Zoombar); f/5.6-6.3= Die Blende startet bei 200 mm mit f/5.6 und über den Zoombereich schließt sich diese bis auf f/6.3; G = G Objektiv, also eine höherwertige Objektivlinie von Sony (unterhalb von GM).
Wichtig zu wissen ist jedoch, dass nicht jedes Objektiv an jeder Kamera verwendet werden kann. Die Objektive werden mit einem Bajonettanschluss mit der Kamera verbunden. Dieses Bajonett ist je nach Hersteller unterschiedlich. Im Englischen wird dieser Anschluss als Mount bezeichnet. So gibt es zum Beispiel Canon EF, Canon EF-S, Canon RF, Sony E-Mount, Nikon F-Mount, Nikon Z-Mount, PL-Mount und noch einige weitere Anschlüsse. Man sollte sich vorab also gut darüber informieren, ob das jeweilige Objektiv auch den richtigen Anschluss besitzt. Mittlerweile gibt es aber viele Adapter für DSLM Kameras, die ältere Objektive, die für DSLR Kameras konzipiert wurden, auch für die neueren Spiegellosen Kameras verwendbar machen. Meistens gibt es dabei aber kleine Abstriche wie eine reduzierte Bildqualität oder einen langsameren Autofokus.
Bei der Wahl eines Kamerasystems sollte auch die vorhandenen Objektive eine wichtige Rolle spielen. Gerade in der aktuellen Zeit, wo viele Hersteller (wie Canon und Nikon) ihr eigenes, spiegelloses Kamerasystem aufgebaut haben, fehlen oft native Objektive für diese Systeme. Sony, welche bereits seit einigen Jahren Objektive für ihre DSLM-Kameras produziert, hat hier aktuell noch einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz und kann mit einer hohen Auswahl an Objektiven punkten. Man sollte neben der Recherche für passende Kameras also auch immer mit dem kompletten System und der vorhandenen Objektivauswahl auseinandersetzen.
Mit ein paar Worten sollten auch noch Dritthersteller von Objektiven erwähnt werden. Mit Dritthersteller meint man Objektive, die nicht von der gleichen Firma wie das Kamerasystem produziert wurden. Die bekanntesten Namen sind aktuell vor allem Sigma und Tamron. Natürlich gibt es noch viele Weitere wie Samyang (auch bekannt als Walimex), Viltrox, Tokina, Meike, Zeiss, Voigtländer und noch viele, viele weitere.
Früher waren die Dritthersteller etwas verpönt, da diese oft schlechtere Qualitätskontrollen und eine hohe Serienstreuung zwischen den einzelnen Objektiven einer einzelnen Reihe hatten. So konnte ein Objektiv sehr gute Resultate liefern und das nächste war wiederum unterdurchschnittlich. Inzwischen hat sich dieses Image in den letzten Jahren Großteiles geändert. Nicht zuletzt dank Sigma und Tamron, welche eine Bereicherung für die aktuelle Objektivlandschaft darstellen.
4.1 Brennweite
Die Brennweite ist eine etwas verwirrende und umstrittene Maßeinheit für ein Objektiv. Jedoch ist die Brennweite durchaus aussagekräftig. Es ist jedoch nicht allzu wichtig, genau zu verstehen, wie die eigentliche Brennweite zustande kommt. Es ist vielmehr wichtig zu verstehen, welche Auswirkung unterschiedliche Brennweiten auf das Bild haben.
Die Brennweite (engl. Focal length) wird immer in Millimeter (mm) angegeben. Dabei ist jedoch nicht die Länge des eigentlichen Objektives gemeint. Die Millimeter geben den optischen Mittelpunkt des Objektives an, an welchen die gebündelten Lichtstrahlen im Objektiv zusammenlaufen und dann ein scharfes Abbild auf die Sensorebene projizieren. Der Abstand zwischen diesem optischen Mittelpunkt des Objektives und der Sensorebene ergibt die Brennweite in Millimeter. Zusätzlich dazu muss das Objektiv auf unendlich fokussiert sein.

Abbildung 4‑2: Die Brennweite eines Objektives Quelle: Gintaras / cameraharmony.com
Man merkt also schnell, dass die Brennweiteneinheit etwas kompliziert ist. Das ist aber auch nicht weiter tragisch. Was die Millimeterzahl schlussendlich aussagt, ist, welchen Bildwinkel und welche Vergrößerung das jeweilige Objektiv hat.
Je höher die Brennweite, desto geringer ist der abgebildete Bildausschnitt und umso höher ist die Vergrößerung der jeweiligen Objektive.
Je kleiner die Brennweite, desto größer ist der abgebildete Bildausschnitt und umso geringe ist die Vergrößerung der Elemente im Bild.

Abbildung 4‑3: 20mm f/1.8 Objektiv von Sony Quelle: Eigene Darstellung
Objektive werden oftmals in verschiedene Kategorien unterteilt, die ihre Bildcharakteristiken beschreiben.
Ultraweitwinkel (Ultra Wide Angle) Objektive haben eine Brennweite von 10 bis 24 mm und somit einen Bildwinkel von 130 bis 84°. Diese Objektive sind durch ihren extremen Bildwinkel gut für Landschaften oder Innenaufnahmen geeignet. Zu den Rändern hin haben Ultraweitwinkel Objektive jedoch meist eine starke Verzeichnung. Dadurch werden gerade Linien gekrümmt und Gesichter „verzerrt“.
Weitwinkel (Wide Angle) Objektive haben einen Brennweitenbereich von 24 bis 35 mm und einen Bildwinkel von 84 bis 63°. Ähnlich wie im Ultraweitwinkel fassen diese Objektive ebenfalls noch viele Informationen der Szene ein. Der Vorteil ist jedoch, dass diese Brennweiten weniger stark Verzeichnen und somit auch gut für Portraits oder Architektur zu filmen.
Die Standardbrennweite bewegt sich zwischen 35 und 70 Millimeter und hat einen Bildwinkel zwischen 63 und 34°. Diese Brennweite wird deshalb als Standard bezeichnet, weil der Bildwinkel zum menschlichen Gesichtsfeld (foveales sehen) identisch ist. Aufgrund der Konstruktion von Standardbrennweiten haben diese Objektive nahezu keine Verzeichnung und eignen sich daher für sehr viele Einsatzbereiche. Den meisten Einsatz finden diese jedoch im Portraitbereich.

Abbildung 4‑4: 200-600mm f/5,6-6,3 G OSS von Sony Quelle: Eigene Darstellung
Teleobjektive haben eine Brennweite von 70 bis 300 Millimeter und einen Bildwinkel von 34 bis 8°. Entsprechend stellen diese Objektive nur einen kleinen Ausschnitt der jeweiligen Szene dar und vergrößern vorhandene Objekte stark. Daher sind sie speziell für Sport- oder Tieraufnahmen sehr gut geeignet. Darüber hinaus gibt es auch noch die Super-Teleobjektive von über 300 Millimeter. Es gibt vereinzelt (wenn auch nahezu unbezahlbare) Objektive mit 1.200 Millimetern oder gar darüber.
Dazu kommen noch die Zoom-Objektive. Diese besitzen keine feste Brennweite, sondern können im Inneren des Objektives Glaselemente verschieben und so die Brennweite anpassen. Die beiden bekanntesten Zoombrennweiten ist das 24-70 mm und das 70-200 mm. Mit diesem zwei Objektiven hat man bereits sehr viele verschiedene Brennweiten abgedeckt und muss keine Dutzend anderer Objektive mit dabeihaben. Jedoch haben Zoom-Objektive wiederum andere Nachteil. Dazu im Kapitel 4.4 mehr.

Abbildung 4‑5: Verschiedene Brennweiten und ihre Auswirkungen auf das Bild Quelle: Gintaras / cameraharmony.com
Nun gibt es natürlich noch einige weitere Merkmale von Objektiven. So gibt es zum Beispiel spezielle Makro-Objektive, die das Fokussieren auf ein sehr kleines Objekt ermöglichen. Vor allem wenn man kleine Tiere, Pflanzen oder kaum sichtbare Details bei alltäglichen Gegenstände fotografieren oder filmen möchte, sind solche Objektive die richtige Wahl. Es gibt jedoch Makro Objektive mit einer Brennweite von 90-150 mm (also im Tele Bereich) oder weitwinklige Makro-Objektive mit Brennweiten von 15-35 mm. Alles hat verschiedene Vor- und Nachteile und muss jeweils für dem gewünschten Einsatzzweck beurteilt werden.
Es gibt noch einen weiteren, sehr spannenden Effekt in Bezug auf die verwendete Brennweite eines Objektives. Diesen Effekt nennt man Lens Compression (Bildkompression). Am einfachsten ist es, wenn man sich den Effekt zuerst einmal ansieht. In Abbildung 4-6 wurden vier Bilder mit einer Brennweite (von links nach rechts) von 15 mm, 53 mm, 75 mm und 210 mm aufgenommen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Statue möglichst den gleichen Bildanteil einnimmt.
Man erkennt auf den ersten Blick, dass sich der Hintergrund stark vergrößert hat, obwohl das Objekt im Bild Großteils gleichgeblieben ist. Genau genommen hat diese Bildkomprimierung jedoch nichts mit der eigentlichen Brennweite zu tun.
Um mit einem Tele-Objektiv das Objekt gleich groß im Bild darzustellen, muss man entsprechend einige Schritte nach hinten gehen, da Tele-Objektive einen viel engeren Bildwinkel haben. Mit einem Weitwinkel-Objektiv dagegen muss man nahe an das Objekt heran. Diese Relation zwischen Abstand von der Kamera zum Objekt und dem Abstand vom Objekt zum Hintergrund verändert sich und entsprechend auch die Kompression.

Abbildung 4‑6: Bildkompression von (links nach rechts) bei 15 mm, 53 mm, 75 mm und 210 mm Brennweite Quelle: Matt Brandon / petapixel.com
Um das mal an einem realen Beispiel zu erklären: Wenn man Nahe an einem Auto steht, sieht dieses relativ groß aus. Verdoppelt man nun seinen Abstand, ist das Auto nur noch halb so groß. Geht man noch mal doppelt so weit weg, hat es nur noch die ¼ der Größe wie am Anfang. Mit einem Weitwinkel-Objektiv verhält es sich genauso. Wenn man nahe an einem Objekt ist, ist dieses Objekt in Relation zum Hintergrund sehr groß. Wählt man nun eine andere Brennweite, verändert man dadurch den Bildwinkel und wenn man weiter nach hinten geht auch die Relation zwischen Vorder- und Hintergrund.

Abbildung 4‑7: Unterschiedliche Auswirkung der Brennweit auf die Bildkompression Quelle: Lee Morris / fstoppers.com
4.2 Bildkreis und Crop-Faktor

Abbildung 4‑8: Bildkreis eines Vollformat Objektives Quelle: Eigene Darstellung
Da die Einheit der Brennweite noch nicht kompliziert genug ist, gibt es noch einen weiteren Faktor, der Einfluss auf die Brennweite eines Objektives hat. Und das ist die Sensorgröße. Die Brennweite wird immer auf einem Vollformat (Kleinbild) Sensor angegeben. Kleinere Sensoren, wie zum Beispiel APS-C oder Micro 4/3, verändern daher den Bildausschnitt eines Vollformat-Objektives. Aber um das besser verstehen und erklären zu können, müssen wir erst einmal klären, was der Bildkreis eines Objektives ist.
Wie bereits im Kapitel 4 besprochen, ist das Objektiv dafür da, Licht zu bündeln und auf den Sensor zu projizieren. Am hinteren Glaselement eines jeden Objektives kommt also ein Lichtbündel, dass die Fläche des Sensors komplett abdecken sollte.
Ein klassischer Vollformat Sensor hat die Abmessungen von 36 mm in der Breite und 24 mm in der Höhe. Das entsprechende Vollformat-Objektiv muss mit seinem Bildkreis also mindestens diese Dimensionen abdecken. Denn sonst hätten wir kein Licht auf den äußersten Pixeln und entsprechend schwarze Stellen an den Rändern.
In Abbildung 4-8 sieht man den Bildkreis, der über die Abmessungen des Sensors hinausgeht. In der Praxis würde der Bildkreis zwar etwas anders aussehen, aber so versteht man das Prinzip am besten.
Wenn wir nun aber keine Kamera mit einem großen Vollformat Sensor haben, sondern zum Beispiel einen Micro 4/3 Sensor, dann genügt auch ein Objektiv mit einem kleineren Bildkreis. Denn der Micro 4/3 Sensor hat nur eine Größe von rund 18 mmx 13.5 mm, anstatt der 36 mm und 24 mm. Dem ein oder anderen fällt nun vielleicht auf, dass der Micro 4/3 Sensor knapp halb so groß ist, wie ein Vollformat Sensor. Entsprechend müsste ja auch der Bildkreis nur halb so groß sein. Und das stimmt auch!
Hier kommt nun der Crop-Faktor mit in Spiel. Nehmen wir ein 50 mm Objektiv, das für Vollformat Sensoren entworfen ist und somit einen Bildkreis hat, der groß genug ist, um die komplette Sensorfläche (36×24 mm) abzudecken. Wenn wir so ein Objektiv an einem kleineren Sensor verwenden, würde der Bildkreis deutlich über die Abmessungen des kleineren Sensors hinausgehen. Oder andersherum formuliert: Der kleinere Sensor würde nur einen kleineren Ausschnitt aus dem Bildkreis des Objektives erfassen.

Abbildung 4‑9: Micro 4/3 Crop-Faktor bei einem Vollformat Objektiv Quelle: Eigene Darstellung
Der Crop-Faktor ist also immer abhängig von der Sensorgröße in Relation zur Größe eines Vollformat-Sensors, da dieser den Maßstab der Brennweite darstellt.
In unserem Fall des Micro 4/3 Sensors haben wir einen Crop-Faktor von 2. Die Brennweite „erhöht“ sich also um das Zweifache. Bei unserem Objektiv mit einer 50 mm Brennweite würde also eine 100 mm Brennweite an einer Kamera mit Micro 4/3 Sensor anliegen.
Erhöht ist jedoch nicht ganz richtig. Die Brennweite des Objektives ist ja noch die gleiche. Jedoch nutzt der kleinere Sensor nicht den kompletten Bildkreis und vergrößert somit den inneren Bereich des Bildkreises (Abbildung 4-9).
Daher gibt es auch viele verschiedene Objektive, die speziell für die jeweilige Sensorgröße ausgelegt sind. Da für den großen Bildkreis, welcher für die Vollformat-Sensoren benötigt werden, enorm viel Glas benötigt wird und diese daher sehr teuer sind, wären das verschwendete Ressourcen für kleinere Sensoren.
Es ist also immer ratsam, sich genau darüber zu informieren, für welche Sensorgrößen ein Objektiv geeignet ist. Bei Canon zum Beispiel gibt es die EF-S-Objektive, welche speziell für die APS-C-Kameras von Canon entworfen wurden und entsprechend nicht an Vollformat genutzt werden können. Die EF-Objektive hingegen sind für Vollformat und können auch an den kleineren APS-C-Sensor Kameras von Canon verwendet werden. Die Brennweite (bzw. der Bildausschnitt) dieser Objektive ändert sich jedoch mit einem Crop-Faktor von 1.6.
4.3 Die Blende und Tiefenunschärfe
Die Blende (engl. Aperture) eines Objektives kann als Öffnung definiert werden, durch die das Licht einfällt und auf den Sensor trifft. Ähnlich wie die Iris unseres Auges kann die Blende geöffnet oder geschlossen werden, um mehr oder weniger Licht einfallen zu lassen. Je größer die Blendenöffnung, desto mehr Licht fällt auf den Sensor. Je kleiner die Öffnung, desto weniger Licht.
Über den Belichtungsaspekt der Blende haben wir ja bereits in Kapitel 3.2.2 ausführlich gesprochen.
Aber wie kommen diese Blendennummern überhaupt zustande? Was sagt mir also eine Blende von f/1,4 oder f/2,8?
Zunächst einmal ist die Definition des F-Stops ziemlich simpel. Hierfür sind nur zwei Dinge wichtig. Der Durchmesser der größtmöglichen Blendenöffnung (quasi die Eintrittspupille) und die Brennweite. Für den F-Stop Wert wird also immer die Brennweite durch den Durchmesser der Blendenöffnung geteilt.
Ein 50 mm Objektiv mit einer Blendenöffnung von 27,7 mm hat also eine maximale Blende von f/1.8. Ein 200 Millimeter Objektiv mit Blende f/4 hat also einen Blendendurchmesser von 50 mm.
Ein 800 mm Objektiv mit einer Blende von f/2.8 müsste einen Durchmesser von 285 mm haben.

Abbildung 4‑10: Übliche Blendenwerte und Bezeichnungen Quelle: Eigene Darstellung
Darüber hinaus wird vor allem in der Videografie oft auch T-Stops verwendet. Diese geben nicht einfach nur die maximale Blendenöffnung eines Objektives an, sondern die tatsächliche Lichtmenge, die am Bajonett austritt und dann auf den Sensor fällt.
Denn moderne Objektive bestehen aus vielen verschiedenen Glaselementen und haben dadurch oft einen deutlichen Lichtverlust. Es kann also sein, dass ein Objektiv zwar eine Blende f/1.8 hat, jedoch einen T/2.2 Wert. In diesem Fall wäre das Objektiv tatsächlich 2/3 Stufen dunkler, als der F-Stop Wert angibt. Wichtig ist jedoch: der T-Stop Wert sagt nur etwas über die Helligkeit eines Objektives aus. Nicht jedoch über die maximale Unschärfe (die Freistellung) eines Objektives.
Da es speziell bei Kinoproduktionen sehr wichtig ist, dass verschiedene Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten, bestmöglich miteinander harmonieren, wird hier meist nur T-Stops angegeben. So ist sichergestellt, dass bei dem Wechsel von einer Brennweite auf die anderen, sich das Bild nicht in der Helligkeit unterscheidet.
Die Blende stellt einen der wichtigsten kreativen Aspekte der Foto- und Videografie dar. Nicht nur kann damit die Menge an Licht reguliert werden, sondern auch die Tiefenschärfe (engl. Depth of Field).
Die Tiefenschärfe ist der nahste und am weitesten entfernte Punkt in einer Szene, der noch scharf dargestellt wird. Die Kamera kann zwar nur auf einen Punkt fokussieren, jedoch ist der Übergang von scharf zu unscharf ein gleichmäßiger Verlauf. In Abbildung 4-11 kann man gut erkennen, wie unterschiedlich die Tiefenschärfe sein kann. Im oberen Beispiel wurde ein niedriger Blendenwert (also eine offene Blende) von zum Beispiel f/1.8 verwendet. Bei dem unteren Beispiel wurde das Objektiv abgeblendet (z. B. auf f/16) und somit der Bereich vergrößert, der scharf dargestellt wird.

Abbildung 4‑11: Fokuspunkt und die Tiefenschärfe Quelle: Elisabeth / photographylife.com
Den Bereich, der scharf dargestellt wird, beziehungsweise die Menge an Bokeh (der Anteil im Bild, der in der Unschärfe liegt), kann durch verschiedene Parameter verändert werden. Die zwei Parameter dafür sind die Blende und der Abstand zum Objekt. Die Sensorgröße spielt zwar ebenfalls eine Rolle, dazu aber gleich noch mehr.

Abbildung 4‑12: Tiefenunschärfe bei 75mm und Blende f/2.8 (links) und f/22 (rechts) Quelle: Eigene Darstellung
Genau wie jede Blendenstufe die Menge an einfallendem Licht verdoppelt, so wird auch die Unschärfe (das Bokeh) mit jedem Blendenschritt verdoppelt. Gehen wir also von Blende f/2.8 auf eine f/2.0, so verkleinern wir den Schärfebereich (oder vergrößern die Unschärfe) um den Faktor 2. Gehen wir eine weitere Blendenstufe offener, auf f/1.4, haben wir nicht nur das Vierfache an Licht im Vergleich zu f/2.8, sondern auch die vierfache Unschärfe. Durch die Wahl der Blende können wir also die Freistellung eines Objektes sehr stark steuern. Möchten wir hingegen Landschaften fotografieren und möglichst viel im Schärfebereich liegen haben, empfiehlt sich eine weit geschlossene Blende von z. B. f/11.
Eine kleine Randnotiz: viele Anfänger machen oftmals den Fehler das Objektiv so weit wie möglich abzublenden (z. B. f/22), um den größtmöglichen Schärfebereich zu erlangen. In der Theorie ist dieser Ansatz auch korrekt, nur spielt hier wieder ein weiterer physikalischer Effekt mit hinein. Und zwar die Beugung (engl. Diffraction). Ohne zu technisch werden zu wollen: wenn die Blendenöffnung zu klein ist, kann sich Licht, dass eigentlich auf die Lamellen der Blende treffen würde, um diese herumbeugen und sich so durch die kleine Blendenöffnung quetschen. Dadurch gehen Details verloren und das Bild wirkt deutlich unschärfer. Je nach Sensorauflösung tritt dieser Effekt früher oder später auf. In den allermeisten Fällen ist es nicht ratsam, über eine Blende von f/11 hinauszugehen.
Zurück zur Tiefenschärfe. Ähnlich wie bei der Lens Compression (beschrieben in Kapitel 4.1), hat der Abstand zum Objekt einen Einfluss auf die Tiefen(un)schärfe. Je näher ich an meinem Objekt stehe, desto größer ist das Verhältnis zwischen Kamera, Objekt und Hintergrund. In diesem Fall hätte ich eine kleine Tiefenschärfe und entsprechend viel Bokeh.
Bewegte ich mich jedoch weiter weg von meinem Objekt, verändert sich das Verhältnis zwischen Kamera, Objekt und Hintergrund und wir haben entsprechend einen größeren Schärfebereich und geringeres Bokeh.
Das Ganze ist jedoch stark vereinfacht. Zum Thema Depth of Field gibt es noch viele aufwendigere und komplexe Erklärungen. Es ist ebenso möglich die Tiefenunschärfe zu berechnen (dazu nutzt man am besten jedoch eine Smartphone Apps). Wem das Thema rund um die Tiefenschärfe interessiert, empfehle ich hier selbst noch etwas weiter zu recherchieren. Ansonsten würde das Thema den Umfang dieses Leitfadens sprengen.
Die Sensorgröße hat ebenso Auswirkungen auf die Tiefenunschärfe. Umso größer der Sensor, desto höher ist das Freistellungspotenzial. Ebenso wie bei der Brennweite, muss man ebenfalls auf den Blendenwert den Crop-Faktor multiplizieren.
Gehen wir als Basis von einer Vollformat-Kamera mit einem 50 mm f/2.8 Objektiv aus. Dazu haben wir eine Micro 4/3 Kamera mit einem Crop-Faktor von 2. Damit wir den gleichen Bildwinkel haben, brauchen wir für die M 4/3 Kamera ein 25 mm Objektiv (25 mm * Crop-Faktor von 2 = 50 mm). Hätte dieses 25 mm Objektiv jedoch auch eine Offenblende von f/2.8, wäre die Tiefenunschärfe unserer Vollformatkamera deutlich größer. Um das auszugleichen, bräuchten wir also ein Objektiv mit einer Offenblende von f/1.4 (2.8/2 = 1,4). So hätte auch die Micro 4/3 Kamera, trotz kleinerem Sensor die gleiche Unschärfe.
In der Praxis ist es jedoch nicht immer so einfach, solche Objektive mit solchen niedrigen Blendenwerten zu finden. Vor allem, da es auch Vollformat Objektive mit Blenden von f/1.2 (oder noch niedriger) gibt. Um die gleiche Unschärfe zu erhalten, bräuchte man für ein Micro 4/3 Objektiv eine Blende von f/0,6. Hier sind wir bereits an den Grenzen der Physik.
Vollformat Kameras bieten also generell einen Vorteil oder eine höhere Flexibilität in der Freistellung im Vergleich zu kleineren Sensoren.
4.4 Festbrennweite vs. Zoom-Objektive

Abbildung 4‑13: Funktionsweise von Zoom-Objektiven Quelle: Jourdan Aldredge / premiumbeat.com
Festbrennweiten (auch Primes genannt) haben eine feste Brennweite, die sich nicht mechanisch verändern lässt. Zoom-Objektive haben jedoch die Möglichkeit, ihre Brennweite durch das interne Verschieben von Glaselementen zu verändern.
Eines jedoch direkt vorab: Es gibt kein richtig oder falsch in der Entscheidung für oder gegen Festbrennweiten oder Zoom-Objektive. Beide Arten haben ihre Vor- wie auch Nachteile.
Am besten überlegt man sich von vorneherein, welche Bedingungen das jeweilige Objektiv erfüllen muss, damit ich den jeweiligen Auftrag bestmöglich erledigen kann. Ein Hochzeitvideograf, der viele verschiedene Einstellungen in kurzer Zeit abdecken muss und immer auf neue Situationen reagieren muss, hat ganze andere Ansprüche an sein Objektiv als ein Kameramann, der einen Kurzfilm dreht und die Einstellungen genau Planen kann und teils mehrere Drehtage für das Projekt Zeit hat.
Sprechen wir erst einmal von den Vorteilen der Zoom-Objektive. Der größte Vorteil liegt natürlich auf der Hand: Es kann die Brennweite verändert werden, ohne dass dafür das Objektiv gewechselt werden muss. Das bedeutet eine extreme Flexibilität und auch Zeitersparnis. Manchmal sind es diese wenigen Momente, in denen man einfach die Brennweite von 24 mm auf 70 mm erhöht, in denen man schnell noch diesen einen Close-up Shot einfangen kann. Mit einer Festbrennweite müsste man entweder das Objektiv wechseln, oder schnell näher an das Objekt gehen. Beides ist in der Realität nicht immer praktikabel.
Nicht nur ist das flexible Zoomen in der jeweiligen Situation nützlich, man kann durch den Kauf von einem Zoom-Objektiv viele Brennweiten abdecken und spart sich so eventuell den Kauf der ein oder anderen Festbrennweite. Die zwei klassischen Zoom-Objektive haben die Brennweiten von 24-70 und 70-200 mm. Beide Objektive haben oftmals eine Blende von f/2.8. Möchte ich die klassischen Brennweiten als Primes, bräuchte ich rund 7 Objektive (24, 35, 50, 85, 105, 135 und 200 mm). Und natürlich hätte man dann nicht die ganzen Brennweiten dazwischen. Denn Zoom-Objektive lassen ja manuell und sehr genau in der Brennweite verändern. Wenn man genau sein möchte, hätte man mit diesen zwei 24-70 und 70-200 mm insgesamt 176 verschiedene Brennweiten. Wie sinnvoll das in der Praxis ist, darf jeder für sich selbst entscheiden.

Abbildung 4‑14: Tamron 28-75mm f/2.8 Quelle: Eigene Darstellung
Sehr angenehm sind Zoom-Objektive beim Reisen. Manche Super-Zooms starten bei 24 mm und gehen bis zu 300 mm oder darüber. Hier deckt man natürlich eine extreme Bandbreite ab und spart sich so viel Gewicht an extra Glas im Gepäck. Diese Flexibilität geht jedoch oft zulasten der eigentlichen Bildqualität.
Kommen wir zu den Vorteilen von Festbrennweiten. Da diese Objektive speziell auf eine bestimmte Brennweite optimiert sind, können diese kleiner und leichter gebaut werden und trotzdem haben diese Objektive meist eine größere Blende. Viele Festbrennweiten haben eine Blende von f/1.8, teurere Primes auch gerne mal f/1.4. Zwar gibt es auch einige wenige Zoom-Objektive mit durchgehenden Blendenwerten von f/2, diese sind dann aber extrem groß, schwer und teuer. Generell haben Festbrennweiten sowohl bei der Blende als auch bei der restlichen Bildqualität die Nase vorne. Selbst die besten Zoom-Objektive für mehrere Tausend Euro können über den kompletten Brennweitenbereich kaum mit einer Prime Lens mithalten.
Es gibt oft auch schon sehr gute Festbrennweiten mit einer schnellen Blende (niedriger Blendenwert) zu einem erschwinglichen Preis. Da die Konstruktion von Zoom-Objektiven deutlich komplexer ist, spiegelt sich das auch meistens im Preis wider. Dazu kommt noch, dass viele Zoom-Objektive keine konstante Blende haben. Je weiter man Zoom, desto kleiner wird die maximale Blende. Speziell beim Filmen ist das ein großer Nachteil, da man konstant die Bildhelligkeit anpassen muss, wenn man die Brennweite verändern. Ein durchaus schwerwiegendes Problem, wenn es mal schnell gehen muss.
Was schlussendlich die richtige Wahl ist, kann man nicht pauschal beantworten. Möchte man schnell und flexibel sein, bietet sich ein Zoom-Objektiv an. Stört man sich nicht an der fixen Brennweite, genießt man mit Primes eine höhere Bildqualität, leichtere Bauweise und oftmals schnelle Offenblende.
4.5 Manuelle- und Autofokus Objektive
Den größten technologischen Sprung haben die Kameras in den letzten Jahren im Bereich des Autofokus hingelegt. Jedoch ist dafür nicht allein die Kamera zuständig. Auch Objektive müssen mit möglichst schnellen und zuverlässigen Fokusmotoren diese Geschwindigkeiten unterstützen.

Abbildung 4‑15: Walimex Pro 35mm T1.5 Quelle: Eigene Darstellung
Vor einigen Jahren war es im Videobereich jedenfalls noch undenkbar, auf den Autofokus zurückzugreifen. Die Ergebnisse waren einfach zu ruckelig, unsauber und schlussendlich war nie das im Fokus, was man wollte. Daher wurde es so gehandhabt wie in den 100 Jahren zuvor. Es wurden manuellen Objektive benutzt. Am Filmset ziehen spezielle Personen den Fokus über Funk. Die Position wird als Focus Puller (Schärfezieher) bezeichnet. Auch heute wird das bei allen größeren Produktionen so gehandhabt. Dadurch ist eine größtmögliche kreative Freiheit und eine hohe Genauigkeit am Set möglich.
Ein Vorteil für manuelle Objektive ist natürlich auch noch der Preis. Durch den zusätzlichen Autofokus kostet ein Objektiv teils deutlich mehr und so sind manuelle Objektive teils deutlich günstiger.
Ein weiterer Aspekt sind alte Vintage Objektive aus dem 20. Jahrhundert. Auf dem Gebrauchtmarkt gibt es immer noch viele gute, manuelle Objektive zu kaufen, die einen ganz besonderen Charakter haben. Durch Adapter kann man diese auch ohne Probleme auf moderne DSLMs adaptieren und so dieses alte Glas an modernen Kameras nutzen.
Für die kleineren Produktionen oder Run-and-Gun Jobs ist der Autofokus mittlerweile jedoch für viele unerlässlich. Die intelligenten Algorithmen in den modernen Kameras erkennen mittlerweile Gesichter und sogar Augen von Menschen oder Tieren und berechnen hunderte Male die Sekunde die genaue Position und ziehen die Schärfe entsprechend. Ebenso kann bei vielen Modellen wie der Sony 7S III oder der Canon R5 präzise eingestellt werden, wie schnell Fokusübergänge sein sollen oder wie schnell die Kamera auf ein neues Ziel wechseln soll.
Es ist also auch hier wieder ratsam, sich vorab Gedanken darüber zu machen, für welche Zwecke ein Objektiv eingesetzt werden soll und ob die entsprechende Kamera überhaupt über einen guten Autofokus verfügt. Wie bereits in Kapitel 3.4 besprochen, sind besonders Sony und Canon hier hervorzuheben. Bei Kameras bei Panasonic oder Blackmagic würde ich aktuell nicht auf den Autofokus setzten.
4.6 Abbildungsfehler

Abbildung 4‑166: Starke Vignettierung zu den Bildrändern hin Quelle: Eigene Darstellung
In diesem Kapitel gehen wir in Kürze auf die gängigsten Abbildungsfehler von Objektiven ein. Die Menge oder Intensität an Abbildungsfehler unterscheidet sich stark von Objektiv zu Objektiv und ist oftmals eine Frage der Preisklasse. Aufgrund schlechterer Materialien, geringerer Verarbeitungsqualität oder fehlender mechanischer Präzision, oft in billigeren Objektiven zu finden, können diese Fehler stärker auftreten.
Die bekanntesten Abbildungsfehler sind die Vignettierung, Verzeichnung, Streulicht-Charakteristik und die Chromatischen Aberrationen.
Die Vignettierung stellt einen Helligkeitsverlust zu den Bildrändern und besonders in den Ecken dar. Das kann unter anderem dadurch auftreten, dass das Objektiv an einer Kamera mit einem zu großen Sensor benutzt wird, für den der Streukreis nicht optimiert wurde. Jedoch tritt dieser Fehler bei so gut wie allen Objektiven auf. Speziell Linsen im Weitwinkel Bereich haben mit diesem Problem zu kämpfen. Ebenso tritt das Problem bei sehr lichtstarken Objektiven vermehrt auf. In den meisten Fällen wird die Vignettierung durch das Abblenden des Objektives um zwei bis drei Blendenstufen stark minimiert

Abbildung 4‑17: Verschiedene Former der Verzeichnung Quelle: Toby Terpstra / researchgate.net
Ein weiterer Abbildungsfehler, der bei vielen Objektiven auftritt, ist die Verzeichnung (engl. Distortion). Auch hier haben speziell weitwinklige Objektive sehr damit zu kämpfen, da aufgrund der großen Frontlinsen und dem weiten Bildwinkel, dass einfallende Licht schwierig zu bündeln ist und die Konstruktion solcher Linsenelemente extrem komplex und aufwendig ist. Je nach optischen Aufbau und Brennweite, kann sich die Verzeichnung auf verschiedener weiße und stärke bemerkbar machen.
Bei der tonnenförmigen Verzeichnung (barrel distortion) fällt das Bild zu den Rändern hin stark nach hinten weg. Linien fallen förmlich nach hinten.
Bei der kissenförmigen Verzeichnung (pincushion distortion) sinkt der mittlere Bereich des Bildes nach innen ein.

Abbildung 4‑17:Starke Lens Flares durch Sonneneinstrahlung Quelle: Todd Trapani, pexels.comDas Streulichtverhalten beschreibt, wie sich das Objektiv verhält, wenn die Sonne oder eine andere Lichtquelle direkt in das Objektiv strahlt. Durch interne Reflexionen des Lichtstrahles im Objektiv-Tubus und zwischen den verschiedenen Glaselementen kann es zu sogenannten „Lens Flares“ kommen. Diese können sich in einem verminderten Kontrast, Schleierreflexionen oder Formen und Ringen in den Regenbogenfarben kommen.
Je besser die Glaselemente vergütet und das innere von Objektiven durch eine schwarze Beschichtung geschützt sind, desto besser ist das Streulichtverhalten dieses Objektivs.
Komplett kann man Lens Flares jedoch nur schwierig verhindern. Deswegen liegt bei nahezu allen modernen Objektiven eine Gegenlichtblende (auch Streulichtblende genannt) mit im Lieferumfang bei. Diese ist speziell auf die Brennweite des Objektives abgestimmt. Durch diese Gegenlichtblende werden Lichtreflektionen auf der Frontlinse verringert und Lens Flares entsprechend reduziert. Oftmals sind Lens Flares jedoch aufgrund kreativer Aspekte erwünscht, da diesem dem Bild einen speziellen Charakter geben.
Die Chromatischen Aberrationen (engl. chromatic aberrations, kurz CA), stellen den schwierigsten und unschönsten Abbildungsfehler dar. Dieser Fehler entsteht dadurch, dass unterschiedliche Wellenlängen des Lichts verschieden stark gebrochen werden. Der Fehler äußert sich besonders zu den Bildrändern hin an Stellen mit hohem Kontrast oder in Form von Verfärbungen vor und hinter der Fokusebene.
Besonders offenblendige Objektive sind von CAs häufig betroffen. Oftmals hilft ein Abblenden von ein bis zwei Blendenstufen bereits deutlich. Ansonsten ist es durchaus möglich, diesen Fehler in der Post Produktion zu korrigieren, wenn der Fehler sonst nicht anderweitig korrigiert oder vermieden werden kann.

Abbildung 4‑18: Starkes Farbsäume an einem Ast Quelle: Niels V. Knudsen / captureone.com
4.7 Sphärische und anamorphische Objektive

Abbildung 4‑19: Sphärisch vs. Anamorphotisch Quelle: sandmarc.com
Wenn wir von Objektiven sprechen, haben diese in 95 % der Fälle einen sphärischen Aufbau. Diese Art von Objektiven haben Ihren Namen aufgrund von sphärischen (kugelig geformt) Linsenelementen. Seit dem Anbeginn der Foto- und Videografie stellten sphärische Objektive den Standard dar.
In den 1950er-Jahren hatte das amerikanische Kino jedoch Probleme, genügend Leute in die Kinos zu locken. Um sich stärker von dem aufkommenden Fernsehprogramm zu unterscheiden, entschloss man sich, das Kino neu zu erfinden. Ein breiteres Bildformat war die Antwort.
Aber wie war das technisch umsetzbar? Immerhin hatte jede Filmrolle ein Format von 4:3. Hier haben die anamorphotischen Objektive zum Einsatz. Anstatt das Bild oben und unten zu beschneiden und somit Auflösung zu verlieren, wurde das Bild durch die Anamorphoten bereits bei der Aufnahme an den Rändern gestaucht. Es wurden also mehr seitliche Informationen auf die normale Filmrolle „gequetscht“. Bei der Wiedergabe wurde dann das Bild entsprechend wieder entzerrt. So war es den Kinos möglich, Filme mit einem Seitenverhältnis von 1:2,35 darzustellen. Die Menge der Kompression (auch Squeeze Factor genannt) sagt aus, wie sehr das Bild gestaucht wird. Üblicherweise wird ein Squeeze Factor von 1.33, 1.5, 1.8 oder 2x verwendet. Ein Squeeze Factor von 1.5 gibt also an, dass 50 % mehr horizontale Informationen aufgenommen werden. Dieses Verfahren wurde früher CinemaScope genannt und findet auch noch bis heute unter diesem Namen Verwendung.
Genug jeder der Geschichtsstunde. Auch heutzutage werden viele Kinofilme und hochwertige Werbeproduktionen mit anamorphischen Objektiven gefilmt. Denn abgesehen von ihrem weiteren Bildwinkel, haben Anamorphoten noch weitere, sehr charakteristische Bildeigenschaften, die von vielen Leuten mit Kino verbunden wird.
Da das komplette Bild gestaucht wird und dafür spezielle Glaselemente genutzt werden, haben anamorphische Objektiv einen sehr besonderen Look. Der größte Unterschied liegt wohl im Bokeh und die Lens-Flares der Anamorphoten. Das Bokeh ist meist weniger perfekt und weist eine teile starke, ovale Form auf.
Ähnlich verhält es sich mit Lens Flares., denn durch die zusätzlichen Glaselemente neigen einige Anamorphoten zu starken Lens Flares, die sich oft über große Teile des Bildes hinweg, als horizontale Linie bemerkbar machen. Oft sind diese sogar gewünscht und mit einem speziellem Farbton versehen. In Abbildung 4-21 sieht mehr sehr deutlich, wie sauber die sphärischen Objektive auf der rechten Seite sind.

Abbildung 4‑20: Vergleich zwischen sphärischen (links) und anamorphischen Objektiven (rechts) Quelle: nfi.edu
Darüber hinaus haben Anamorphoten weitere besondere Charakteristika. Die Verzeichnung, der Schärfeverlauf und der Schärfeabfall zum Bildrand hin sind weitere Merkmale.
Bei anamorphischen Objektiven scheiden sich generell jedoch die Geister. Viele mögen den „imperfekten“ Look und den Charakter dieser Objektive. Schlussendlich kommt es vor allem auf das Projekt an und auf den gewünschten Bildeindruck.
Es gibt jedoch einen Haken bei den Anamorphoten. Sie sind teuer! Zwar gibt es auch sehr teure sphärische Linsen, diese werden von ihren anamorphischen Brüdern jedoch weit überflügelt. So gab es bis vor Kurzem quasi keine Anamorphische-Objektive für Vollformat, die unter 5.000 € gekostet haben. Daher wurde oft der Einsatz von speziellen Filteraufsetzen verwendet, die jedoch nicht an die Qualität richtiger Anamorphoten herankamen und teils große Probleme mit der Handhabung hatten.
Inzwischen haben sich jedoch einige kleine Firmen an dem Markt herangetraut und gute Alternativen für den schmalen Geldbeutel auf den Markt gebracht. Erwähnenswert sind hier vor allem die Objektive von SIRUI mit einem 1.33x Squeeze für APS-C Kamera und mit einem 1.6x Squeeze für Vollformat und die Firma Great Joy, die Vollformat Anamorphoten mit einem 1.33x oder 1.8x Squeeze Factor anbieten.
4.8 Adapter & Speed-Booster

Abbildung 4‑21: Geringeres Auflagemaß der Spiegellosen-Kameras Quelle: Steve Cushing / u42.co
Einen weiteren Vorteil haben die neueren Spiegellosen Kamera auch dann, wenn es um Adapter und um das einsetzten von Speed-Boostern geht. Durch das Wegfallen es Spiegelkastens aus den DSLR Kamera, ist das Auflagemaß (Flange Distance) der neueren Kameraanschlüsse deutlich geringer geworden. Das Auflagemaß bezeichnet die Entfernung zwischen der Sensorebene und der Auflagefläche des Objektivs. Hatte das Canon-EF-Bajonett für DSLR Kameras noch ein Auflagemaß von 44 Millimeter, so hat der neue RF-Mount (für DSLMs) nur noch ein Auflagemaß von 20 Millimeter.
Diese Differenz von 22 Millimeter können sich nun die Adapter zunutze machen. Man kann nun also einen Adapter nutzen, der es ermöglicht, EF Objektive an einer RF-Kamera zu nutzen. Das ist aber nicht nur auf Canon Objektive und Kamera beschränkt. Es können quasi alle Objektive auf moderne Kamera adaptiert werden, solange es möglich ist, zwischen dem nativen Auflagemaßes des Objektives und dem Auflagemaß der Kamera einen Adapter zu schrauben. Es können also keine Objektive von anderen Spiegellosen Systemen adaptiert werden, da diese bereits auf ein kurzes Auflagemaß an einer DSLMs konzipiert wurde. Dafür ist aber sehr einfach möglich, alte Vintage-Objektive mit den verschiedensten Anschlüssen an modernen Kameras zu nutzen.
Die Adapter gibt es in den verschiedensten Versionen. Simple Adapter, die das Objektiv nur auf das richtige Auflagemaß bringen, sind meist nur aus Metall und bereits für wenige Euro zu haben. Es gibt jedoch auch teurere Adapter, die den Austausch elektronische Informationen zwischen der Kamera und dem Objektiv ermöglichen. Diese bewegen sich dann bereits im unteren dreistelligen Preisbereich.
Ein weiterer großer Vorteil des geringeren Auflagemaßes ist es, das sogenannte Speed-Booster (auch Focal Reducer genannt) für kleinere Sensoren genutzt werden können. Wie wir bereits in Kapitel 4.2 erklärt haben, hat jedes Objektiv einen Bildkreis. Dieser ist wiederum, auf eine bestimmte Sensorgröße ausgelegt. Nutzen wir also ein Vollformat Objektiv an einer Micro 4/3 Kamera, nutzen wir nur einen sehr kleinen Teil des Bildkreises. Somit ändert sich der Bildwinkel und auch die Blende im Verhältnis des Crop-Faktors. Aus einem 50 mm Vollformat Objektiv mit Blende f/2.0, hätten wir ein Objektiv mit Blende f/4 und einen Bildwinkel- Äquivalent von einer 100 mm Brennweite.
Ein Speed-Booster verkleinert und bündelt (konzentriert) den zu großen Bildkreis nun. Dadurch wird die Lichtstärke erhöht und die Brennweite ändert sich nicht mehr so stark wie zuvor.

Abbildung 4‑22: Funktionsweise eines Speed-Boosters Quelle: Thibaud / zebrazone.tv
Solche Speed-Booster gibt es mittlerweile von vielen verschiedenen Marken. Der bekannteste Hersteller ist jedoch Metabones. Der Speed-Booster XL hat eine Reduktion um den Faktor 0,64 und ist speziell für den Bildkreis von Vollformat auf M4/3-Sensoren optimiert. Aus unseren obigen Beispiel würde also aus dem 50mm f/2.0 Objektivs ein 64mm Objektiv mit Blende f/1,3 werden.
Jedoch haben solche Speed-Booster nicht nur Vorteile. Immerhin schraubt man sich hier weitere Glaselemente zwischen Objektiv und Kamera. Auch bei den teuren Modellen hat man oftmals einen geringfügigen Qualitätsverlust. Ebenso kann die elektronische Kommunikation oder der Autofokus entweder komplett unterbrochen sein, oder zumindest verlangsamt werden. Daher sollte man sich vorab genau über das jeweilige Modell informieren.
Im Übrigen: Focal Extender (auch Tele-Konverter genannt) funktionieren nach dem gleichen Prinzip, jedoch umgekehrt. Anstatt den Bildkreis zu bündeln, wird dieser weiter aufgespreizt. Bei einem 2x Tele-Konverter erhöht sich zwar die Brennweite um den Faktor 2, jedoch verliert man im gleichen Maße auch Licht. Aus einem 400mm f/4 Objektiv würden also ein Äquivalent von 800mm f/8 entstehen.
4.9 Das richtige Objektiv wählen
Direkt vorab: Das perfekte Objektiv gibt es nicht. Wie bei vielen Dingen, sollte man sich zunächst einmal im Klaren sein, für welche Einsatzzwecke das Objektiv primär sein soll. Es gibt einige Kriterien, anhand man zumindest entscheiden kann, ob man eher zu einem Zoom-Objektiv oder zu Festbrennweiten greifen sollte.
Zoom-Objektive sind von Vorteil, wenn…
- man oft viele Einstellungen in einer kurzen Zeit realisieren muss
- man wenig oder keine Zeit hat, um das Objektiv zu wechseln
- man lieber nur ein oder zwei Objektive hat
- man möglichst flexibel sein möchte
Festbrennweiten sind dagegen zu empfehlen, wenn
- man die bestmögliche Bildqualität möchte
- man eine möglichst hohe Freistellung und somit viel Bokeh haben möchte
- man kein Problem damit hat, öfter das Objektiv zu wechseln
- Platz und Gewicht keine große Rolle spielen, da man oft mehr als vier Objektive dabeihat

Abbildung 4‑23: Sony 24-70mm f/2.8 GM Quelle: Sony
Natürlich schließt das eine das andere nicht kategorisch aus. Speziell am Anfang macht man mit einem guten Zoom-Objektiv jedoch nichts falsch, denn wahrscheinlich können sich nur die wenigsten eine neue Kamera und zusätzlich noch drei oder vier Festbrennweiten kaufen. Ein 24-70 mm f/2.8 deckt hier bereits viele Brennweiten ab und bietet trotzdem eine gute Offenblende. Falls das noch etwas zu teuer ist, kann man entweder auf Dritthersteller zurückgreifen (zum Beispiel Sigma oder Tamron), oder ein günstigeres 24-105 mm f/4 Objektiv kaufen.
Wenn man dann möchte, erweitert eine 70-200 mm f/2.8 oder f/4 (je nach Geldbeutel) die Brennweite noch weiter im Telebereich.
Mit diesen beiden Zoom-Objektiven kann man also theoretisch bereits eine Brennweite von 24-200 Millimeter abdecken. Je nach Bedarf könnte man sich dann noch einzelne Festbrennweiten mit ins Boot holen. Eventuell ein 85 mm f/1.8 oder f/1.4 für Portraitaufnahmen und ein Ultraweitwinkel um die 16 mm für Landschaften, Architektur oder Innenaufnahmen.

Abbildung 4‑24: Sigma 35mm f/1,4 DG DN Quelle: Sigma
Wenn man jedoch von vorneherein auf Festbrennweiten setzten möchte, empfiehlt sich für den Anfang entweder ein 24 mm zusammen mit einem 50 mm Objektiv oder ein 35 mm und ein 85 mm Objektiv. Die erste Variante ist eher für weitere Aufnahmen, wie zum Beispiel in Büros oder Industriehallen. Die zweite Kombination ist etwas besser für Interviews oder generell nähere Aufnahmen. Wie gesagt: da kommt es auf den persönlichen Einsatzbereich an.
Zu Vintage- oder anamorphischen Objektiven ist es noch schwerer, eine generelle Aussage zu geben. Die Personen, für die solche speziellen Objektive relevant sind, werden wahrscheinlich ohnehin darüber Bescheid wissen oder sich entsprechend tiefer damit auseinandersetzten.
Wenn man jedoch generell Lust und Interesse daran hat, etwas Neues und Unübliches auszuprobieren, dann ist man mit diesen beiden Objektivarten durchaus gut beraten. Vor allem die Einfachheit, mit der man 50 Jahre alte (oder noch ältere) Objektive auf hoch modernen Kameras verwenden kann, ist ein spannender Bereich, in dem man sich hervorragend austoben kann.